Hätte mehr drin sein können?

Wie man verpasste SEA-Chancen aufspürt!

„I know that half of my advertising is wasted money. I just don’t know which half it is.“ – Das Zitat stammt von Henry Ford und bringt die Schwierigkeit der Leistungsmessung im Marketing auf den Punkt; man bräuchte einen Spürhund. Denn selbst wenn vorgegebene Leistungsziele erreicht wurden, stellt sich immer die Frage, ob es nicht hätte besser laufen können. In diesem Beitrag versuchen wir, dieser Frage spieltheoretisch auf den Grund zu gehen und schlagen ein probabilistisches Vorgehen vor, um rückblickend die Leistung von SEA-Anzeigen zu prüfen. Am Ende wollen wir beurteilen können, ob mehr hätte drin sein können – und das ohne Hilfe auf vier Pfoten.

Die Grundlagen

Um unsere Idee verstehen zu können, muss zuerst die Auktionslogik von Google Ads verstanden werden. Google versteigert Anzeigenpositionen, wobei die oberste bzw. prominenteste Position die wertvollste ist, da hier die Klick-Wahrscheinlichkeit am höchsten ausfällt. Auf welcher Position die Anzeige eines Werbetreibenden erscheint, hängt von der Qualität der Anzeige, der Landingpage sowie dem Gebot ab, welches der Werbetreibende bereit ist zu zahlen (Google Support). Wir konzentrieren uns hier auf das Gebot, da die Landingpage und der Qualitätsfaktor weitestgehend unverändert bleiben, solange Anzeige, Keyword und Landingpage nicht verändert werden. Der am Ende pro Klick bezahlte Betrag hingegen ändert sich von Klick zu Klick (Google Support) und liegt unter dem abgegebenen Gebot. Wenn der Klickpreis allerdings nicht dem Gebot entspricht, das man abgibt – wie kommt er dann zustande?

Die Entstehung von PPC

Ein Blick in die Vergangenheit hilft hier. Im Jahr 1997 traff Overture (heute Teil von Yahoo), eine richtungsgebende Entscheidung. Overture bot eine Paid Search Plattform an, die von Suchmaschinen wie z. B. Yahoo und MSN genutzt wurden, um ihr Anbebot zu monetarisieren. Overture regelte letztlich, welche bezahlte Suchanzeige zu welchem Preis angezeigt wird. Das Unternehmen war eines der ersten, welche Pay-per-Click (PPC) einführte, während zuvor für im Vorhinein festgelegte Impressionsmengen bezahlt wurde; unabhängig vom Erfolg. Für Werbetreibende war das Angebot von Overture attraktiv, da man einfach starten konnte und die Einstiegskosten niedrig waren. Was der Klick am Ende kosten sollte, wurde per Auktion pro Keyword bestimmt, ähnlich wie heute. Einen entscheidenden Unterschied gibt es jedoch zu den heutigen Auktionen. Damals hat es sich um eine Generalized-First-Price-Auktion gehandelt, während heute Generalized-Second-Price-Auktionen genutzt werden. (Edelman et al. 2007, S. 245 ff.) Der Unterschied zwischen beiden Auktionsformen ist der Grund dafür, dass der Klickpreis nicht dem angegebenen Gebot entspricht. Um nun die Generalized-Second-Price-Auktion zu verstehen und schließlich nachvollziehen zu können, wie man die Performance von SEA-Kampagnen bewerten kann, müssen wir zunächst der Spieltheorie einen Besuch abstatten.

Spieltheorie

Spieltheorie, in aller Kürze, untersucht Wettkampfsituationen, in welchen Spieler gegeneinander antreten und sich an bestimmte Regeln halten müssen. Da sehr viele Situationen einen Wettkampf darstellen, sei es in der Politik, der Wirtschaft, oder der Biologie, beschäftigt die Spieltheorie eine vielzahl von Themen. Auf Basis der Wettkampfsituationen werden spieltheoretische Modelle entwickelt, analysiert und im besten Fall hinsichtlich optimaler Verhaltensweisen „gelöst“ (MacKenzie und DaSilva 2006, S. 1). Hier spricht man auch von Equilibrien. Das bekannteste Equilibrium ist vermutlich das Nash Equilibrium, welches eine Situation beschreibt, in der kein Spieler eine bessere Handlungsalternative hat, als die definierte Equilibriumshandlung (MacKenzie und DaSilva 2006, S. 20). Auch wenn es sich an dieser Stelle vielleicht nicht danach anhört, Spieltheoretiker arbeiten viel mit mathematischen Formeln; ein insgesamt sehr spannendes Feld.

 

 

 

 

Warum die Generalized-First-Price-Auktion ausdiente

Spieltheoretische Überlegungen helfen, zu verstehen, warum First-Price-Auktionen heute nicht mehr von Suchmaschinen genutzt werden. Bei einer First-Price-Auktion gewinnt derjenige, der den höchsten Preis abgegeben hat. Um die beste Anzeigenposition zu belegen, könnte ein Spieler natürlich immer seinen individuellen Höchstpreis bieten, allerdings führt dies zu geringeren Gewinnen. Schließlich könnte es sein, dass die Gegenspieler nur weit geringere Gebote abgegeben haben (Laffont 1997, S. 8). Daher versuchen die Spieler bei einer First-Price Auktion ein möglichst niedriges Gebot abzugeben, es muss gerade hoch genug sein, um den gewünschten Anzeigenplatz zu ergattern. Wie hoch das Gebot im Equilibrium sein sollte, kann in Laffont (1997) auf Seite 8 nachgelesen werden; man sollte sich allerdings etwas Zeit mitnehmen, um die Formeln zu verstehen.

Ein Problem bei spieltheoretischen Überlegungen ist allerdings, dass sie einerseits auf Prämissen basieren, die so nicht immer zutreffen müssen, und dass sich Spieler häufig genug nicht „optimal“ Verhalten. So führt die First-Price-Auktion im PPC-Kontext zu Bieterschlachten. Warum? Man stelle sich zwei Spieler vor, Spieler A kann maximal ein Gebot von 5 € abgeben, Spieler B ein Gebot von 3 €. Beide Spieler setzen natürlich nicht ihr Höchstgebot. Spieler B setzt nur 2 €; für Spieler A ist es nun am sinnvollsten 2,01 € zu setzen. So bleibt er auf der besseren Position und hat seinen Gewinn maximiert. Sobald Spieler B allerdings erfährt, dass ihm nur 2 Cent fehlen zur Spitzenposition, dann bietet er 2,02 €. Umgekehrt erfährt Spieler A nun, dass er von der besseren Position gestoßen wurde und bietet 2,03 €; usw. Das Ergebnis sind enorme Kursschwankungen, in denen die Bieter sich immer wieder überbieten. Das optimale Gebotsergebnis ist häufig davon abhängig, dass man schnell genug reagieren kann (Edelman et al. 2007, S. 246).

Die Generalized-Second-Price-Auktion als bessere Alternative

Als Google PPC einführte, entschieden sie sich daher für die Generalized-Second-Price-Auktion. In dieser Auktionsform gewinnt weiterhin der höchstbietende, allerdings wird lediglich das Gebot des nächst unteren Gebots bezahlt (inklusive einer geringen Erhöhung von 0,01 €) (Santos et al. 2023, S. 411; Edelman et al. 2007, S. 247). Die Idee ist hier, dass der Höherbietende natürlich nicht mehr ausgeben möchte als das nächst niedrigere Gebot. Statt dass die Spieler selbst herausfinden, was das nächst niedrigere Gebot ist, wie bei der First-Price-Auktion, nimmt man ihnen die Suche ab. Aber gehen wir zurück zu unserem Beispiel. Wie würden unsere beiden Spieler A und B wohl agieren. A bietet 5 €, B bietet 2 €; unter Nichtbeachtung weiterer Qualitätsfaktoren würde Spieler A das Spiel gewinnen und einen Preis von 2,01 € pro Klick zahlen müssen. Für Spieler A ist es nicht notwendig sein Gebot ständig an das von Spieler B anzupassen. Spieler B hingegen wird nicht motiviert sein Gebot in Konkurrenz mit Spieler A zu erhöhen, es sei denn, er kann sich ein Gebot von über 5 € leisten. Was er allerdings tun könnte, ist, sein Gebot leicht zu erhöhen, um Spieler A zu schaden. Denn wenn Spieler B sein Gebot erhöht, muss Spieler A mehr pro Klick zahlen, Spieler B hingegen nicht. Seine Position würde Spieler B damit allerdings nichts erhöhen.

Die Gerneralized-Second-Price-Auktion führt seltener zu einem Bieterkampf und insgesamt zu stabilen Geboten. Nachdem wir nun die Grundlagen der Auktionslogik bei Google Ads untersucht haben, ist nun die Frage zu klären, wie der maximale bzw. optimale Preis berechnet werden kann?

Die optimale Gebotsstrategie

Eine optimale Gebotsstrategie liegt vor, wenn die Beteiligten an einem Bieterwettkampf keinen Grund haben, ihr Gebot zu ändern – ein Equilibrium (genauer: berechnet wird das einzigartige perfekte bayessche Equilibrium der English Auction; vgl. Edelman et al. 2007, S. 252).
Um das Equilibrium zu berechnen, wird eine Variante der Second-Price-Auktion herangezogen: die sogenannte Generalized English Auction. Diese wird gewählt, da sie die Realität des Bieterkampfs auf Google Ads besser abbildet.

Die English Auction funktioniert folgendermaßen: Allen Spielbeteiligten wird der aktuelle Gebotspreis (Kosten pro Klick) angezeigt. Dieser steigt mit fortschreitender Zeit. Jeder Mitspieler kann jederzeit aussteigen, wenn ihm der Auktionspreis zu hoch ist. Die Auktion endet, wenn nur noch ein Spieler an der Auktion teilnimmt. Die Spieler zahlen nicht den Preis, zu dem sie selbst aus der Auktion ausgeschieden sind, sondern den Preis des zuvor Ausgeschiedenen. Für die Bestimmung des Equilibriums wird davon ausgegangen, dass alle teilnehmenden Spieler bereits längerfristig spielen und Erfahrungen über die Wirkung ihrer Gebote gesammelt haben – wie erfahrene SEA-Marketing-Manager. Tatsächlich entspricht die Generalized English Auction recht genau dem realen Prozess in Google Ads: Viele geübte Spieler haben ein Gebot abgegeben und steigen dann aus, wenn ihnen der Klickpreis zu hoch geworden ist.

 

Die Equilibriumsformel

Das Equilibrium, sprich die maximalen Kosten pro Klick und somit der optimale Gebotspreis, liegt vor, wenn:

pk: Gebotshöhe zu der Spieler k aussteigen sollte (Max. Kosten pro Klick)

i: Anzahl der Mitspieler (inklusive Spieler k)

h: Anzahl an zuvor gezeigten Geboten, zu denen Mitspieler ausgestiegen sind

sk: Umsatz/Wert pro Klick des Spielers k

αi: Klickrate des i’ten Mitspielers (in diesem Fall Spieler k)

αi-1: Klickrate des Spielers der die bessere Anzeigenposition aufweist

b(i+1): Gebot, das Spieler k zahlen müsste, wenn er erst nächstes mal aussteigen würde.

 

In Worten steht in der Formel:

Die komplex erscheinende Equilibrium-Formel kann in wenigen Schritten erheblich vereinfacht werden. Im Zentrum der Formel stehen drei Metriken, die jedem bekannt sind und deren Zusammenhänge allgemein verstanden werden: Gewinn, Umsatz, Kosten. Kennt man zwei dieser drei Metriken, ist die dritte stets berechenbar. Zwei Beispiele:
Gewinn ergibt sich, wenn vom Umsatz die Kosten abgezogen werden → Gewinn = Umsatz – Kosten. Die Kosten wiederum ergeben sich, wenn vom Umsatz der Gewinn abgezogen wird → Kosten = Umsatz – Gewinn. Tatsächlich stellt die Equilibrium-Formel nichts anderes dar als die Berechnung der Kosten – mit einem kleinen Kniff, den wir im Folgenden erklären möchten.

 

Der Kniff

Zur Berechnung der maximalen Kosten pro Klick, die ein Mitspieler bereit sein sollte zu zahlen, wird zunächst davon ausgegangen, dass der Umsatz pro Klick bekannt ist (sₖ bzw. UmsatzProKlick). Das ist im Regelfall auch gegeben. Zudem wird angenommen, dass das Gebot bekannt ist, welches ein Spieler zahlen müsste, wenn er erst eine Runde später aussteigt (b₍ᵢ₊₁₎ bzw. KostenProKlickBesserePosition) und somit die bessere Anzeigenposition erhält. Ein Marketing-Manager wird dies im Regelfall nicht genau wissen – dazu später mehr. Gleiches gilt für die Klickrate der besseren Anzeigenposition (αᵢ₋₁ bzw. KlickrateBesserePosition).

Mit Umsatz und Kosten könnten wir ganz einfach den Gewinn berechnen. Doch nun kommt der erwähnte Kniff: Unser Ziel ist nicht, den Gewinn zu berechnen, sondern die Kosten – genauer gesagt: die maximalen Klickkosten, die man bereit sein sollte zu zahlen, bevor es keinen Unterschied mehr macht, ob man sich um eine Anzeigenposition verbessert. In diesem Fall wäre der Aufstieg einfach zu teuer bezahlt – man kann also auch auf der aktuellen Position bleiben und denselben Gewinn erwirtschaften.

Wir müssen daher aus der Formel „Klickgewinn = Klickumsatz – Klickkosten“, die sich auf die bessere Anzeigenposition bezieht, die Formel „Max. KlickkostenAktuell = Klickumsatz – Klickgewinn“ machen, die sich dann auf die aktuelle, schlechtere Anzeigenposition bezieht.

 

Folgende Schritte sind dabei notwendig:

  • Zuerst müssen wir aus den Klickkosten der nächst besseren Position den Klickgewinn der nächst besseren Position berechnen. Das geschieht im rechten Teil der Formel unter (1) „UmsatzProKlick – KostenProKlickBesserePosition“. Vom Klickumsatz wird der Klickkostenwert der nächst besseren Position abgezogen. Es ergibt sich der Klickgewinn für die nächst höhere Anzeigenposition. Würden wir nun vom Klickumsatz den berechneten Klickgewinn abziehen, hätten wir die Klickkosten – allerdings die Klickkosten für die nächst bessere Position (die wir ja bereits kennen). Wir wollen jedoch die maximalen Klickkosten, die wir bereit wären zu zahlen, für die aktuelle Position. Dafür benötigen wir noch eine Ergänzung in der Formel.
  • Wir müssen die Klickhäufigkeit, also die Klickrate, bei der aktuellen Anzeigenposition sowie bei der nächst besseren Position berücksichtigen. Damit berechnen wir, um wie viel schlechter die aktuelle Klickrate im Vergleich zur besseren Position ist. Dies geschieht in (1) durch den Faktor: „ KlickrateAktuell / KlickrateBesserePosition “. Warum? Wir erinnern uns: Wir wollen berechnen, ab welchem Punkt es für einen Spieler egal ist, ob er die nächst bessere Anzeigenposition bezahlt oder bei der aktuellen bleibt. Das ist genau dann der Fall, wenn der Gewinn in der aktuellen Position insgesamt genauso hoch ist, wie in der nächst besseren Position. Hierfür haben wir den Klickgewinn der nächst besseren Anzeigenposition berechnet.
    Da die Klickrate in der aktuellen Position jedoch niedriger ist, als in der besseren, fällt auch der Gewinn bei gleichem Klickgewinn in Summe geringer aus. Der Unterschied liegt bei „ReduktionKlickrateaktuellen Position„, dargestellt in (3). Berücksichtigen wir diese Reduktion, dann wird beim Abziehen des Klickgewinns vom Klickumsatz nicht mehr die Klickkosten der besseren Position berechnet, sondern die Klickkosten, die bei aktueller Position zum gleichen Gesamtgewinn führen würden wie bei der besseren Position. Genau das ist der Punkt, an dem es keinen Sinn mehr ergibt, einen höheren Preis zu zahlen: Jeder höhere Klickpreis würde, trotz besserer Position und höherer Klickrate, den Gewinn im Vergleich zur aktuellen Position verringern.
    Ein Beispiel: Wenn die Klickrate aktuell bei 0,7 liegt und bei der besseren Position bei 0,8, dann erhält man statt 100 % des Klickgewinns nur 0,86 also 86 % vom Klickgewinn. Der Klickgewinn wird um die geringere Klickrate reduziert/korrigiert und die Kosten pro Klick steigen. Dies wird unter (3) deutlich.
  • Nun muss nur noch vom Umsatz pro Klick der korrigierte Klickgewinn abgezogen werden, und wir erhalten die Höhe der Klickkosten, die bei der aktuellen Position zum gleichen Gewinn führen wie bei der nächst besseren Position.  Das ist der Klickpreis, bei dem es keinen Sinn mehr ergibt, mehr zu bieten, denn selbst bei einer besseren Anzeigenposition würde nicht mehr Gewinn erzielt werden.  Hier eine kurze Rechendemonstration, die das Gesagte illustriert:

Der maximale Klickkosten, zu dem man aktuell aussteigen sollte, liegt also bei 0,54 €. Was wäre nun, wenn man erst zu einem späteren Klickpreis aussteigen würde – sagen wir, bei 0,57 €?  Wie hoch fällt dann unser Gewinn bei der besseren Anzeigenposition aus?  Um die Auswirkung der Erhöhung des Ausstiegsklickpreises auf 0,57 € und deren Einfluss auf den Klickgewinn bei besserer Position zu prüfen, setzen wir 0,57 € statt 0,54 € und statt 0,5 (KlickkostenBesserePosition) „x“ in die Formel ein. Dann lösen wir nach „x“ auf:

Die Klickkosten für die bessere Position haben sich erhöht. Was bedeutet dies nun für den Gewinn bei der besseren Anzeigenposition?

GewinnBesserePosition = 0,8 – 0,54

GewinnBesserePosition = 0,26

Der GewinnBesserePosition hat sich verschlechtert; von 0,30 € auf 0,26 €. Der kurze Exkurs zeigt: Wenn wir zu einem späteren Klickpreis aussteigen, dann reduziert sich der Gewinn sowohl bei der aktuellen Position als auch bei der besseren Position. Es ergäbe also überhaupt keinen Sinn mehr, diesen höheren Klickpreis zu zahlen. Treten wir hingegen früher aus bzw. können zu einem niedrigeren Preis die nächst bessere Position ergattern, erhöhen wir den Gewinn in beiden Fällen.

Nun könnte der ein oder andere sagen: „Wenn ich mit einem niedrigeren Klickpreis mehr Gewinn mache, dann steige ich eben bei einem niedrigeren Klickpreis aus.“ Grundsätzlich hätte er recht. Das Problem ist nur: Eine Prämisse des Equilibriums ist, dass jeder Teilnehmer versucht, sein eigenes Ergebnis zu maximieren. Sprich: Die Gefahr steigt, bei einem zu niedrigen Klickpreis eine Anzeigenposition zu verlieren.  Eine durchaus sinnvolle Annahme – schließlich ist der Wettbewerb im Anzeigengeschäft intensiv.  Allgemein lässt sich also folgern: Man möchte nie mehr pro Klick ausgeben als das Equilibrium – und am besten auch nicht deutlich weniger.

Die SEA-Leistung bewerten 

Wir wissen nun, wie man den optimalen bzw. maximalen Klickpreis berechnen kann. Doch wie lässt sich dieses Wissen nutzen, um die Leistung eines SEA-Kontos zu bewerten?  Der aufmerksame Leser wird festgestellt haben, dass wir im letzten Kapitel zwei schwerwiegende Annahmen getroffen haben: Wir gingen davon aus, den Klickpreis und die Klickrate der nächst besseren Position zu kennen. Das tun wir als Marketing-Manager im Regelfall jedoch nicht.  Wie können wir dieses Problem lösen? Die Antwort lautet: Wir müssen begründete Vorhersagen treffen – und diese probabilistisch, also in Form einer Wahrscheinlichkeitsverteilung, ausdrücken.  Warum probabilistisch? Weil wir zwar keine genauen Werte angeben können, wie hoch der Klickpreis und die Klickrate in der nächst besseren Position sind, aber: Wir können einen Wertebereich angeben, den wir als wahrscheinlich einstufen. Eine solche begründete Vorhersage kann sich z. B. auf die Google-Ads-Metrik zu den oberen Positionen beziehen. Genaue Kennzahlen zu den einzelnen Positionen und darüber, welche Position die eigenen Anzeigen aktuell einnehmen, werden jedoch nicht veröffentlicht. Man muss also etwas kreativer werden, wie wir im folgenden erklären.

 

Die abgeschnittene Normalverteilung

Für die Konstruktion unseres probabilistischen Bereichs – sowohl für Klickkosten als auch für Klickrate der nächst besseren Position – verwenden wir eine sogenannte trunkierte Gauß’sche Verteilung, oder einfacher gesagt: eine abgeschnittene Normalverteilung. Normalverteilungen sind glockenförmig (die Abbildung zu Beginn dieses Abschnitt „Die optimale Gebotsstrategie“ ist eine Glockenkurve). Daher spricht man oft von einer Glockenkurve. Eine abgeschnittene Normalverteilung weist keine Werte unterhalb eines definierten Minimums oder oberhalb eines festgelegten Maximums auf – die Kurve ist an beiden Enden abgeschnitten.  Eine solche Verteilung wird definiert durch einen Mittelwert, eine Standardabweichung, ein Minimum und ein Maximum  Der Mittelwert kennzeichnet den Bereich, den wir als besonders wahrscheinlich einschätzen – dort ist die Kurve am höchsten. Die Standardabweichung bestimmt, ob die Glocke eher spitz oder flach ist – sie beschreibt also die Streuung der Daten. Zu den Rändern hin nimmt die Kurve ab – hier gehen wir von geringerer Wahrscheinlichkeit aus.  Für unsere Zwecke werden 1.000 Werte simuliert, basierend auf dieser Verteilung.

 

Definition unserer Verteilungen

Der Mittelwert unserer abgeschnittenen Normalverteilung liegt in der Mitte zwischen der Klickrate bzw. dem Klickpreis der aktuellen Position und den oberen Positionen (Google Ads Metrik). Beispiel: Liegt die Klickrate aktuell bei 0,7 und in den oberen Positionen bei 0,9, dann setzen wir den Mittelwert auf 0,8.  Warum nicht die vollen 0,9? Weil wir nicht sicher wissen, ob die nächst bessere Anzeige direkt unterhalb oder innerhalb der oberen Positionen erscheint – beides ist meist nicht der Fall. Deshalb nehmen wir die Mitte beider Werte – eine vorsichtige Annahme, die natürlich auch anders begründet werden könnte.  Die Standardabweichung übernehmen wir aus unseren Daten zu den oberen Positionen – sie gibt eine realistische Einschätzung über die Streuung im probabilistischen Bereich. Das Minimum der Verteilung ist: Klickrate bzw. Klickkosten der aktuellen Position plus 1 %. Hier können wir relativ sicher sein, dass Klickrate bzw. Klickkosten in der besseren Position mindestens besser sind. Das Maximum ist der jeweils höchste Wert für Klickrate bzw. Klickkosten der oberen Positionen in den Daten. Einen höheren Wert könne wir als überaus unwahrscheinlich einschätzen.

 

Tägliche Simulation und Berechnung

Wir erstellen für jeden Tag, zu dem uns die Daten zur den Klickraten bzw. Klickkosten vorliegen, eine abgeschnittene Normalverteilung. Das bedeutet: Für jeden Messwert wird die Formel zur Berechnung des maximalen Klickpreises 1.000-mal durchgeführt. Aber: Die Berechnungen des maximalen Klickpreises allein bringen uns noch nicht viel, wenn wir die Leistung bewerten wollen. Dazu benötigen wir den Vergleich zwischen dem tatsächlich bezahlten Klickpreis und dem maximal möglichen Klickpreis. Wie? Indem wir vom berechneten maximalen Klickpreis den tatsächlich bezahlten Preis abziehen. Das Ergebnis nennen wir Anzeigenperformance.  Auch für die Anzeigenperformance liegen uns dann 1.000 Werte pro Tag vor. Man kann sich das so vorstellen: Für jeden Tag existiert eine Verteilung, die einer Normalverteilung ähnelt.  Diese erlaubt es uns die wahrscheinlichste Anzeigenperformance für jeden Tag zu berechnen und einen Bereich zu definieren, in dem mit 89 prozentiger Wahrscheinlichkeit die Anzeigenperformance tatsächlich lag. Warum kein einzelner Wert?  Hätten wir nur einen einzelnen Wert berechnet, würden wir implizit annehmen, dass wir die tatsächliche Klickrate und den tatsächlichen Klickpreis der nächst besseren Position genau kennen. Das ist nicht der Fall. Wir können lediglich einen Bereich angeben, den wir als wahrscheinlich einschätzen. Das Ergebnis ist also ebenfalls kein exakter Wert, sondern ein Wahrscheinlichkeitsbereich, in dem sich die Anzeigenperformancewahrscheinlich bewegt hat. Allgemein ist zu sagen, dass man fast nie den genauen Wert kennt. Das gilt auch für die wissenschaftliche Forschung. Im absoluten Regelfall, spätestens wenn eine Stichprobe genutzt wurde, wird man nicht sagen können, dass ein spezifischer Wert der richtige ist.

 

Anwendung und Beispiele

Das gesamte beschriebene Verfahren haben wir mit Daten von drei Kunden durchgeführt. Die Anzeigenperformance über den Beobachtungszeitraum (nach Jahr und Monat) zeigen wir unten als Diagramme. Jedes Diagramm zeigt:

  • eine blaue Linie → den Mittelwert der Verteilung zur Anzeigenperformance
  • einen blau hinterlegten Bereich → das 89%-Wahrscheinlichkeitsintervall zur Anzeigenperformance
  • rote Linie → CTRAktuell

Das Wahrscheinlichkeitsintervall zur Anzeigenperformance ist aussagekräftiger als der Mittelwert, aufgrund der genannten Unsicherheit. Wichtig ist, dass dieser Bereich nicht die gepunktete 0-Linie überschreitet. Denn: Wenn das Intervall unter 0 fällt, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass man mehr gezahlt hat als optimal – also zu viel. Bewegt sich der Bereich allerdings zu weit über 0, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass man eine Anzeigenposition verliert, weil man zu wenig geboten hat. Die CTRAktuell haben wir in den Diagrammen zusätzlich ergänzt.

Im Diagramm zum Kunde 1 unterschreitet der blaue Bereich die 0-Linie. Zudem erreicht derselbe Graph im späten Frühjahr 2024 sehr hohe Werte. Dies weist darauf hin, dass die Wahrscheinlichkeit gestiegen ist, dass die Anzeigen ihre Position nach unten verloren haben. Die Vermutung zum Verlust der Position wird durch die abfallende CTRAktuell (rote Linie) gestützt.

Das Diagramm zum Kunde 2 zeigt eine insgesamt bessere Performance. Nie unterschreitet der blaue Bereich die 0-Linie. Auch hier fällt auf, dass eine abfallende CTRAktuell mit einem Anstieg der blauen Linie einhergeht. Auch hier könnte die eigene Anzeigenposition verloren worden sein.

Ein weniger eindeutiges Bild zeigt sich bei Kunde 3. Zwar unterschreitet der blaue Bereich nicht die 0-Linie, jedoch ist der Zusammenhang zur CTRAktuell weniger klar. Eine genauere Analyse ergab, dass der deutliche Anstieg der blauen Linie im August 2024 mit einem deutlich gesunkenen Gebot im Vergleich zum Gebot der oberen Positionen, sprich zu niedrigen Klickkosten, im Zusammenhang steht. Wir hatten letztlich Glück, dass das zu niedrige Gebot nicht zu einem Positionsverlust geführt hat und in Folge zu Verlusten in der CTRAktuell .

Insgesamt zeigen die Diagramme jedoch: Starke Veränderungen sind selten – die Graphen bleiben vergleichsweise konstant nahe der 0-Linie. Das bedeutet: Man hat meistens nicht zu viel für die aktuelle Position gezahlt und hat sie nur selten verloren. Mehr wäre jedoch tatsächlich drin gewesen.

Fazit

Natürlich handelt es sich bei unseren Ergebnissen nur um Schätzungen. So genau wie ein Spürhund ist unser Versuch leider nicht. Die genauen Werte können wir nicht berechnen, da uns die vollständige Datengrundlage fehlt. Trotzdem bietet das Verfahren einen spannenden Einblick in die Mechanismen hinter Google Ads. Wir finden das Thema so spannend, dass wir versuchen wollen, unser Vorgehen wissenschaftlich zu validieren.  Mal sehen, wo die Reise noch hingeht.

Quellen

Edelman, Benjamin; Ostrovsky, Michael; Schwarz, Michael (2007): Internet Advertising and the Generalized Second-Price Auction: Selling Billions of Dollars Worth of Keywords. In: American Economic Review 97 (1), S. 242–259. DOI: 10.1257/aer.97.1.242.

Laffont, Jean-Jacques (1997): Game theory and empirical economics: The case of auction data. In: European Economic Review 41 (1), S. 1–35. DOI: 10.1016/S0014-2921(96)00017-7.

MacKenzie, Allen B.; DaSilva, Luiz A. (2006): Introduction to Game Theory. In: Allen B. MacKenzie und Luiz A. DaSilva (Hg.): Game Theory for Wireless Engineers. Cham: Springer International Publishing (Synthesis Lectures on Communications), S. 1–11.

Santos, Margarida V. B.; Mota, Isabel; Campos, Pedro (2023): Analysis of online position auctions for search engine marketing. In: J Market Anal 11 (3), S. 409–425. DOI: 10.1057/s41270-022-00170-x.

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